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Totilas Leid!

Soeben lese ich, dass der Wunderhengst Totilas gestorben ist! Die Nachricht stimmt mich als Pferdefreundin einerseits traurig aber auch wütend. Das teuerste  Dressurpferd der Welt starb an den Folgen einer Kolik. Vielleicht hat das bedauernswerte Geschöpf, das medienwirksam Höchstleistungen im Dressurreiten und später als Zuchthengst erbringen musste, gar seinen Lebenswillen verloren und den Tod als Erlösung empfunden. Mein Bauchgefühl flüsterte mir diesen ersten Gedanken, den ich mir erlaube, hier per Blog-Artikel weiter zu vertiefen. 

 

Als niederländisches Warmblut, es heißt korrekt KWPN (Koninklijk Warmbloed Paard Nederland", eine Kreuzung aus Gelderländer und Groninger, erblickte Totilas bereits als hochgezüchtetes Rasse-Fohlen das Licht der Welt. Diese Zuchtrichtung wirbt mit sehr leistungs- und ausdrucksstarken Pferden, die zudem nervenstark sind, um  bei Großveranstaltungen eingesetzt zu werden. Genau dieses Potenzial zeigte sich, als der damals 5-jährige Hengst seinen ersten großen Aufritt hatte. Geritten von Jiska van den Akker überzeugte er die anwesenden Sportjournalisten und wurde als bestes niederländisches Dressurpferd am Start beurteilt. Später verhalf "Toto", wie der Ausnahmehengst mit Spitznamen hieß, seinem damaligen Reiter Edward Gal und deren Hauptsponsoren, den niederländischen Moorlands Stables zu internationalem Ruhm. Im Sommer 2009 gewann das Team die niederländische Meisterschaft und der Ruf als "Wunderpferd" nahm seinen Lauf. Es folgten bereits zwei Wochen später Siege im Grand Prix und die Grand Prix Kür beim CHIO Rotterdam. Weitere Ehrungen waren Reiter und Ross sicher, für die  Mannschaft holten sie die Goldmedaille und im Grand Prix Spécial die Silbermedaille. Man sprach davon, dass Gal seinen schönen Hengst tanzen lassen konnte und sie erhielten in ihrer gemeinsamen Karriere mehrmals Weltrekord-Wertungen. Das Dream Team schaffte es, dem bis dahin eher unspektakulären Dressurreit-Sport zu mehr Glamour und Popularität zu verhelfen. Wo Totilas auftrat, stand er im Mittelpunkt und wurde zum Superstar des Vierecks. 

 

 

Mit insgesamt drei Weltrekorden, drei WM-Siegen schrieb der Rappe in Holland Geschichte und war zu der Zeit das teuerste Dressurpferd der Welt. Dieser Triumph sollte fortgesetzt werden, als Paul Schockemöhle das Millionenpferd nach Deutschland holte. Begleitet von großem Medienrummel wechselte Totilas seinen Besitzer. Der Kaufpreis wurde auf 10 Millionen Euro geschätzt und die Erwartungen an Pferd und neuen Reiter waren groß. Matthias Alexander Rath, der Stiefsohn der Mitbesitzerin Ann Kathrin Linsenhoff bestritt im Juni 2011 das erste gemeinsame Turnier beim CDI 3 in München-Riem und sie gewannen beim CHIO Aachen in der CKIO 5* alle drei Einzelprüfungen. Bei der deutschen Europameisterschaftsequipe konnten sie jedoch keine Einzelmedaillen erringen. Es folgten anhaltende Verletzungen und Turnierausfälle. Der vermeintliche Gold Garant oder soll ich besser sagen "Gold-Esel" konnte seiner neuen Eigentümergemeinschaft keine Dukaten schenken oder soll ich besser sagen schei...

Dülmener Wildpferd (Foto Karin Biela)
Dülmener Wildpferd (Foto Karin Biela)

 

Wurden deshalb Trainingsmethoden angewendet, die man durchaus als Tierquälerei bezeichnen kann? Fakt ist, dass Matthias Alexander Rath in Hagen mit Totilas zur Vorbereitung auf ein Turnier, mit tiefer Kopf-Hals-Haltung arbeitete. Die sogenannte Rollkur ist sehr umstritten und entspricht nicht den Ausbildungsrichtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, wie der Verband feststellte. Aber statt dies zu ahnden wird kurzerhand die Bezeichnung in "low, deep, round" (LDR) verharmlost. Und nachdem Rath mit Bestnoten siegte, verstummten die Kritiken. Das Leid von Totilas ging weiter. Es wird sogar gemunkelt, das Pferd habe sich selbst gegen ein Überbein getreten. Wie groß muss die Qual sein, wenn ein Tier sich derart verhält. Das Drama erreicht nach zahlreichen Comeback Versuchen und erneuten Verletzungen seinen Höhepunkt. Das vom Verschleiß geplagte Geschöpf musste eine Dressurprüfung der schweren Klasse durchstehen, obwohl es für alle Experten erkennbare Gesundheitsprobleme hatte. In einer belgischen Tierklinik wurde ein Knochenödem in der linken Hand festgestellt. Ich möchte erwähnen, dass ich als Nicht-Veterinärin weiß, dass ein Ödem nicht von heute auf morgen entsteht. Die Mitbesitzerin Ann Kathrin Linsenhoff ist allerdings ausgebildete Tierärztin.  

 

Wie viel Schmerzen musste Totilas ertragen. Zum Glück wurde dann das traurige Karriereende 2015 verkündet. Natürlich durfte der Hengst nicht auf eine grüne Wiese, sondern musste sein Leben nun als Deckhengst fristen. Damit mit der "Fehlinvestition", wie sein Besitzer das Tier nannte, weiter Geld verdient werden konnte, sprang er regelmäßig in einer kahlen Box auf ein Phantom, das einer Stute irgendwie ähnlich sehen soll. Paul Schockemöhle erklärte direkt nach der Todesnachricht, "er war gut im Rennen als Deckhengst". Diese Aussage wundert mich nicht, zeigt sie doch die ganze verachtende Haltung. Hier ist das Tier nur noch eine seelenlose Investition, die Gewinn abwerfen muss. Und das der frühere Springreiter, Pferdezüchter und Unternehmer nicht zimperlich ist, beweisen seine vielen Skandale. Ob das verbotene Barren bei Springpferden oder die Steuerhinterziehung, dieser Mann ist skrupellos. Ich hätte Totilas weiß Gott andere Besitzer gewünscht und die Tierschutzorganisation "PETA" hat 2012 Strafanzeige wegen des Verdachts gegen das Tierschutzgesetz gegen Halter und Reiter gestellt. Ich möchte betonen, dass auch die niederländischen Methoden  beim Trainings keinesfalls Anlass zur Freude geben. Es kursieren Fotos, auf denen sieht man Edward Gal bei einer Prüfung auf einem Pferd, aus dessen Maul Blut läuft. Auch diese Bilder sind keine Seltenheit im Leistungssport. 

 

Deutschland ist ein Pferdeland mit ca. 1,3  Millionen Pferden und ich stamme aus Westfalen, eine Hochburg für Pferdefreunde. Für viele Reiter gilt der Spruch "Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde". Anscheinend ist es aber für viele Pferde kein großes Glück auf Dressurplätzen, bei Pferderennen oder im Gelände Wettbewerbe zu bestreiten. Damit sie bessere Leistungen erbringen werden sie gedopt und gequält. Sie müssen wie Maschinen funktionieren und stehen nicht selten überwiegend in Einzelboxen, als Herdentier ohne Gesellschaft mit Artgenossen. So übrigens soll es bei Totilas ebenfalls geschehen sein und er litt still und leise. In Zucht und Sport spielen anscheinend nur noch die Vermarktungsinteressen eine Rolle. Und wenn die Tiere verletzt sind, kommen sie zum Schlachter. Pro Jahr werden aufgrund von Sportverletzungen oder zur Fleischgewinnung laut PETA ca. 6000 Tiere getötet. 

 

Wann hört das Pferdeleid endlich auf. Wann erheben sich die Verantwortlichen und beenden die hässlichen Szenen auf den Turnierplätzen. Wann gibt es eine gute Benotung für Bewegungsabläufe, die dem natürlichen Wesen des Pferdes entsprechen? Pferde sind so wundervolle Tiere, die ich liebe ... Ich habe aufgrund von Urheberrechtsverletzungen bewusst KEIN Foto von Totilas veröffentlicht und zeige einfach eine kleine Auswahl von eigenen, teilweise schon sehr alten Fotos, die verdeutlichen, wie mich schon immer Pferde faszinierten. Ein Pony setzte ich sogar mal in der Seniorenbetreuung ein. 

 

Möge es Totilas im Pferdehimmel gut gehen und er dort glücklicher sein, als er es je auf Erden war! 

Ihre Karin Biela 

 

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Kommentare: 11
  • #1

    Dorit Mitev (Donnerstag, 17 Dezember 2020 20:19)

    Es gibt soviel Tierleid auf dieser Welt. Ich bewundere die Menschen, die sich für diese Geschöpfe einsetzen! Ein großes Dankeschön und eine dicke Umarmung.

  • #2

    Christel Satter (Mittwoch, 23 Februar 2022 11:41)

    Traurige Geschichte.
    Anscheinend gibt es keinen sportlichen Wettbewerb mehr, bei dem nicht Tier- oder Menschengesundheit aufs Spiel gesetzt wird.
    Der Sportler kann aufhören; das Tier muss weiter machen.

  • #3

    sylviaschroederiburg@gmail.com (Donnerstag, 28 Juli 2022 19:27)

    Schockemöhle ist und bleibt ein Tierquäler! Danke für deinen Beitrag

  • #4

    Tanja Ofer (Sonntag, 30 April 2023 19:20)

    Weiß man, ob es diesem wunderschönen und doch so bedauernswertem Pferd wenigstens in den letzten Lebensjahren nach Ende der sportlichen Laufbahn erlaubt wurde, regelmäßig Freiheit auf der Koppel/Weide zu schnuppern zusammen mit Artgenossen? Habe nichts darüber finden können �

  • #5

    Karin Biela (Sonntag, 30 April 2023 19:40)

    Liebe Tanja Ofer,
    gerade gestern kam eine Dokumentation zu dem Thema und dort wurde bestätigt, dass Totilas nie auf die Koppel kam, sondern lediglich am Zügel spazieren geführt wurde. Angeblich weil er sich sonst verletzten würde. Also keinen Kontakt zu anderen Pferden, nur Haltung in einer Einzelbox, die zudem noch sehr dunkel gewesen sein soll. Ich war so schockiert, dass ich meine Trauer und Wut kaum in Zaum halten konnte. Eine Tragödie, was diesem Ausnahepferd angetan wurde. Hier der Link zu der Sendung, man müsste es über die Mediathek noch anschauen können:
    https://www.tvnow.de/serien/totilas-das-millionen-geschaeft-mit-dem-jahrhundertpferd-21581/staffel-100/episode-1-totilas-das-millionengeschaeft-mit-dem-jahrhundertpferd-5439249

  • #6

    Tanja Ofer (Sonntag, 30 April 2023 21:37)

    Liebe Karin Biela,
    ja, die Doku habe ich auch gesehen und war völlig schockiert. Ich bin Nicht-Reiterin und habe das erste Mal in dieser Dimension von Totilas Geschichte, seinem offensichtlichen Leid sowie der Geldgier und Skrupellosigkeit vieler Beteiligter erfahren. Das lässt mich seitdem nicht mehr los. Die Aussagen oben zum Thema "reine Haltung im Stall" hatte ich auch wahrgenommen, aber gehofft, dass es sich nur auf die Jahre bezogen hat, in denen Totilas im Leistungssport funktionieren musste.
    Habe noch weiter recherchiert und dieses Zitat hier gefunden von Herrn Rath nach dem plötzlichen Tod von Totilas. Ist das glaubhaft? Und durch andere Quellen/Bilder belegt? Es wäre ja ein kleiner Trost, auch wenn das Leben als Deckhengst offensichtlich (zu)viel Kraft und Energie gekostet hat.

    ...Totilas wurde noch leicht geritten, hauptsächlich von Raths Stiefmutter und Mitbesitzerin des Pferdes, Ann-Kathrin Linsenhoff. „Es ist ein anderes Trainingsniveau außerhalb des Sports, man trainiert nicht voll auf Wettkampf. Er war die ganze Zeit über fit und gesund“, erklärte Rath. „Er war täglich auf der Koppel, ging viel im Schritt, an der Hand und unter dem Reiter auf der Galoppbahn. Zwanzig Jahre ist viel zu früh. So alt war er ja noch nicht.“

  • #7

    Tanja Ofer (Sonntag, 30 April 2023 21:41)

    Hier die Quelle:
    https://www.st-georg.de/news/pferde-und-leute/eine-aera-geht-zu-ende-totilas-ist-gestorben/#:~:text=Totilas'%20letzter%20%C3%B6ffentlicher%20Auftritt%20erfolgte,mit%20einem%20faden%20Beigeschmack%20besiegelte.

  • #8

    Karin Biela (Montag, 01 Mai 2023 09:15)

    Hallo liebe Tanja,
    also dass dieses Pferd vor seinem Tod "fit und gesund" war, halte ich für eine reine Schutzbe-hauptung. Zumal ja gerade Ann-Kathrin Linsenhoff das Pferd -trotz Ödem- zur EM in Aachen hat starten lassen. Und sie ist ausgebildete Tierärztin. Ich vermute das arme Pferd war bereits vor dem Verkauf nach Deutschland gesundheitlich angeschlagen und die holländischen Besitzer wählten den Zeitpunkt "goldrichtig" aus, um sich von ihrer Investition, die den Zenit bereits erklommen hatte und erste Abnutzungserscheinungen zeigte, zu trennen. Das Leben von Totilas war von Qualen und Leid geprägt. Die schmerzhaften Methoden beim Training, die das Wunderpferd viel zu früh über sich ergehen lassen musste, indem er bereits 2005 seine Karriere im Viereck begann. Seit 2009 diente er zusätzlich als Deckhengst und das während des kräftezehrenden Hochleistungssports. Das Tier wurde regelrecht ausgesaugt ... Sein Tod war genau so qualvoll wie sein Leben, denn es ist in vielen Medien auch von Milzriss die Rede. Natürlich war ich nicht dabei, aber sicher ist, Totilas hat gelitten und wurde zu keiner Zeit art- und pferdegerecht gehalten. Selbst wenn er vielleicht am Schluss mal auf die Weide durfte. Er war und ist bis heute, selbst nach seinem erlösenden Tod, eine reine Geldquelle. Denn mit seinen Nachfahren sprudelt sie weiter ... und ihnen droht wahrscheinlich leider ein ähnliches Schicksal ...

    Hier habe ich einen weiteren interessanten Blogartikel aus dem Jahre 2014 gefunden: https://dressurpferdblog.wordpress.com/2014/05/27/totilas-oder-wie-aus-einem-imposanten-hengst-eine-arme-kreatur-wurde/

  • #9

    Tanja Ofer (Dienstag, 02 Mai 2023 18:41)

    Hallo liebe Karin,
    vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und den Link. Vermutlich hast Du recht, auch die letzten Jahre von Totilas waren wahrscheinlich nicht das, was man sich als schönes, artgerechtes und entspanntes Rentnerdasein für ein Pferd vorstellt, das alles für "seine Menschen" gegeben hat. Auch wenn ich mir das in meiner Naivität gewünscht hätte, um wenigstens ein kleines Gefühl von Happy End zu haben.
    Ich habe mir mal die Instagram Kanäle von Matthias Rath und Ann-Kathrin Linsenhoff angeschaut. Statt offensiv damit umzugehen und der interessierten Öffentlichkeit regelmäßig Bilder und Videos zu zeigen, fand Totilas dort quasi fast gar nicht statt, Wahrscheinlich auch, weil man die negative Aufmerksamkeit der Vorjahre vergessen lassen wollte. Und die wenigen Zeugnisse lassen nicht vermuten, dass sich alles zum Guten verbessert hat. Problem ist wohl die grundsätzliche Haltung zum und vom Pferd. Traurig, einfach nur traurig und sehr, sehr schade, dass die Strafanzeige von PETA nicht weiter verfolgt wurde. Jemand hat auf dem Kanal von Hern Rath als Antwort auf die Nachricht von Totilas Tod genau die richtigen Worte gefunden... dass wir Menschen versagt haben bei unserer Aufgabe, dieses wunderschöne Wesen zu beschützen. Ich bin zu wenig Teil der Reiterwelt, um alles objektiv einschätzen zu können, und es gibt sicherlich auch viele rücksichtsvolle und im Sinne ihres Tieres handelnde Reiter und Besitzer, aber wenn schon der größte Rockstar der Szene nicht geschützt wurde, was ist dann mit den vielen anderen, namenlosen Sportpferden? Vielleicht ist es ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass die Disziplin Springreiten im modernen Fünfkampf abgeschafft wurde. Und vielleicht setzt auch die neue Doku zu Totilas etwas in Bewegung. Für ihn kommt das alles leider zu spät. Mich macht das alles unendlich traurig,

  • #10

    Karin Biela (Dienstag, 02 Mai 2023 19:01)

    Liebe Tanja,
    ich bin übrigens auch keine Expertin oder langjährige Reiterin. Ich liebe einfach Pferde und habe, als ich die Nachricht von Totilas Tod hörte, einfach diesen Blog Artikel schreiben "müssen" ... Ich hoffe ebenfalls darauf, dass wir die Pferde und alle Tiere so behandeln, wie sie die Geschöpfe es verdienen. In diesem Sinne Grüße aus München an Dich, liebe Tanja ...

  • #11

    Antje Hester (Donnerstag, 11 Mai 2023 21:31)

    Vielen Dank für diesen Kommentar r, der ir sehr aus der See spricht. Man braucht sich aimuf den Bildern nur den Augenausdruck der s gerittenen Totilas anzusehen, um zu wissen, wie es ihm ging. Ich teile auch die Vermutung über die Kolik. Als Teenager müsdte ich sbst grauenhafte Dinge in einem Turnierstälken mit ansehen. Ich sage nur "Schkaufzugel" und "Profidressurreiter". Mein Pferd hatte blutige Sporen Löcher. Es ist der Reitbeteiligung eben nicht hoch genug gesprungen. Aber wenn man unter 18 war und es noch keine Handys gab, war man damals ohnmächtig. Den Satz "Das Gl<ck der Pferde sind Reiter auf der Erde" kam mir damals in den Sinn. Ich denke, im Leistungssport trifft das wohl häufig zu.